Stipendium für künstlerische Forschung 2022
Vorhaben:
Eine Forschungsarbeit von März bis Juni 2022 mit späterer Inszenierung: Ausgangspunkt ist die Frage nach einer lebenserhaltenden Zukunft, wie diese mit erzählerischen Mitteln visioniert werden kann und wie Geschichten Mut und Hoffnung geben, den zukünftigen Herausforderungen zu begegnen?
Corona hat gezeigt, dass die Gesellschaft dazu fähig ist, schnell zu handeln und Maßnahmen zu ergreifen. Doch in Anbetracht der herannahenden Klimakrise passiert vergleichsweise kaum etwas. Es gibt viele Handlungsmöglichkeiten, aber es fehlt an tragenden Zukunftsvisionen. Die Angst vor großer Veränderung lähmt. Es geht um die Zukunft unserer Kinder. Laut Wissenschaft ist Handeln jetzt erforderlich, jede Verzögerung vergrößert das Potential der anstehenden Krisen.
Welche Geschichten erzählen wir von der Zukunft? Wie wird die Zukunft aussehen? Gibt es in 10 Jahren noch genug Lebensraum für alle Menschen?
Der Forschungsimpuls: Ich will nach Geschichten suchen, die in krisenhaften Zeiten des Wandels (Starkwetterereignisse, Pandemien,…) für Menschen eine wichtige Unterstützung sein können. Dazu suche ich in alten Mythen und traditionellen Geschichten nach Inspiration und entwickle neue Geschichten für das hier und jetzt. Welche Zukunftsvisionen geben Mut? Wie schaffen wir Halt und Orientierung für eine ungewisse Zukunft? Es braucht Fantasie und Flexibilität, es braucht andere Wege des Miteinanders, denn die ganze Erde ist von den Veränderungen betroffen.
Ein Aspekt ist hierbei die Komplexität, denn das Klima wirkt sich auf alle Ebenen (wirtschaftlich, sozial, politisch, gesellschaftlich) aus. Wie können diese Zusammenhänge verständlich dargestellt werden? Die Natur mit ihren komplexen Ökosystemen und Ergebnisse der vorangegangen Forschung „Lebewesen Natur“ sollen hier zu neuen Erzählformen inspirieren.
Die entstandenen Zukunftsgeschichten sollen an Freiburger Schulen erzählt, diskutiert und gemeinsam weiterentwickelt werden und zu einer Inszenierung hinführen. In einem weiteren Schritt könnten die Geschichten publiziert werden.
Einordnung in das bisherige Schaffen:
Bereits im vorherigen Stipendium „Lebewesen Natur“ beschäftigte ich mich damit, Geschichten aus der Landschaft heraus zu horchen. Damit einher ging eine Übersetzungsleistung von der Sprache der Landschaft oder bsp. der Bäume in eine menschliche Sprache. Ich fand heraus, dass jene Geschichten uns mit dem ursprünglichen Kreisläufen von Werden und Vergehen verbinden und somit das Essentielle, ja sogar einen Lebenssinn für mich wieder verdeutlichen: Unsere Aufgabe diese Welt als Lebensraum für alle, vor allem aber auch für unsere Kinder zu bewahren. So entstand die Idee für eine neue Forschung.
Konzeption/Recherche:
Zu diesem Zweck las ich mich in die Mythen der Welt ein und stellte mir dabei die Frage: Wie können Geschichten den Menschen ihre Angst und ihre Sorgen vor dem Wandel nehmen? Ihnen dabei helfen die zerstörerischen Muster, die unseren Wohlstand prägen zu verlassen? Diese Muster, die sie über Generationen nun schon gepflegt und für richtig gehalten haben?
Als zweite Frage: Wie kann Verbindung mit der Natur geschaffen werden und die Transformationskraft der Schönheit durch Geschichten hervorgeholt werden? Wie können Menschen aus eigenem Willen eine andere neue Form des Wohlstands leben? Und wie ist dieser andere Wohlstand vermittelbar?
Es gilt Zukunftsvisionen zu schaffen, die Mut machen, die Halt und Orientierung bieten. Die Mythen gaben mir Antwort darauf wie existentiell groß die Angst ist, gewohnte Wege zu verlassen, denn dort ist alles unsicher und es erfordert eine große Flexibilität und Ausdauer, um weiter auf diesem Weg zu bleiben. Die Mythen nennen uns Gründe, warum wir uns doch auf den Weg machen.
Ich suchte nach Rat bei den Bäumen, beim Fluss, bei der Erde und ließ mir von ihnen ihre Geschichten erzählen.
Ich interviewte Menschen, die Permakultur betreiben und fand heraus, wie wichtig die Beobachtung für sie ist und dass sie sehr behutsam eingreifen und versuchen einen Rahmen herzustellen, dass die Natur sich selbst untereinander hilft und dabei noch genug Ernte für den Bauern abfällt. Erstaunlicherweise ist es für den Bauern teilweise weniger Arbeit, denn das Spritzen entfällt, das Ökosystem hält sich, wenn es einmal ausbalanciert ist, selbst am Leben. Doch es braucht widerstandsfähige Pflanzen für die heutigen Klimabedingungen – keine giftigen Mittel! In Freiburg setzen immer mehr Winzer, vor allem mit ökologischen Anbau auf pilzresistente Arten. Diese Pflanzen müssen schonend gezüchtet werden und stark gemacht werden. So ähnlich könnten wir vielleicht mit unseren Kindern umgehen…? Geben wir ihnen, was sie stark und ausdauernd macht, etwas damit sie die Hoffnung nicht verlieren. Versuchen wir ihnen zu zeigen, dass es Wege gibt, die nicht auf Ausbeutung fußen, sondern auf die Zukunft ausgerichtet sind.
Künstlerische Aspekte:
Ich bündelte alle Erkenntnisse aus der Recherche: Die Macht der Mythen und ihre ungeschminkte herausfordernde Art mit Transformation umzugehen, die Geschichten, die ich aus der Landschaft erhielt und die Gespräche mit den Bauer*innen, sowie die blinde Angst eines konventionellen Winzers, mit dem ich ein Gespräch führen durfte.
Rohfassungen der Geschichten waren da, ich musste sie nur noch in eine effektive menschliche Form bringen, die alle meine Erkenntnisse der Forschung beinhaltete.
Es braucht starke Probleme mit unbedingter Betroffenheit der Zuhörenden und ebenso starke Visionen. Dazu braucht es die Verbindung miteinander, mit allen Lebewesen, um zu einer zukunftsträchtigen Lösung zu kommen, sowie eine sehr große Behutsamkeit und Empathie gegenüber den Ängsten der Menschen, die noch nicht bereit sind aus ihren gewohnten Bahnen auszubrechen und Bsp. den „Wahnsinn“ permakultureller Pioniere mitzumachen, bzw. einfach nur bereit sind, sich mit sich selbst und ihrer Umwelt auseinander zu setzen und ihr gewohntes Leben in Frage zu stellen.
Es entstanden drei Geschichten, die versuchen all diese Aspekte zu bedenken.
Zusammenarbeit:
Diese drei Geschichten erzählte ich an mehreren Schulen in Freiburg. Dazu gab es einen offenen Teil zu Beginn, in dem ich sie fragte, welche Zukunft sie sich wünschen und welche Sorgen sie haben, dann erzählte ich meine bisher erarbeiteten Geschichten, danach erfolgte ein Austausch darüber.
Ich war sehr erstaunt über die wachen Kinder und auch sehr bedrückt, über die visionslosen Kinder, das Schulsystem scheint immer noch nicht die Kreativität und Individualität der Kinder zu fördern. Es ist traurig. Doch mit Geduld und Unterstützung gelang es auch die visionslosen Kinder zu beleben. Spätestens nachdem sie die Geschichten gehört hatten, fingen sie selbst an eigene Ideen zu entwickeln.
Es gibt Hoffnung! Unsere Kinder sind unsere Hoffnung!
Zukunftsmusik:
Momentan arbeite ich an der Inszenierung der 3 Geschichten, bevor ich sie in einem Erzählprogramm auf Reise schicken werde.